Sicherlich variiert das Alter unserer Kinder, wann sie sich mit dem Thema der kulturellen Identität beschäftigen. Bei meinen Kindern fing es in der letzten Kitaphase an und dauerte und dauerte und dauerte… Wahrscheinlich wird diese Phase auch nie enden. Das ist auch gut so. Es ist nämlich nicht so einfach, in einem Land zu leben, in dem die eigene Muttersprache eine andere ist als im Lebensumfeld und das Thema die Aktualität immer noch nicht verloren hat, obwohl Deutschland zu den Ländern gehört, die den höchsten Anteil an „Menschen mit Zuwanderungsgeschichte“ hat. Wie sehr ich diese Begrifflichkeitsspielchen verabscheue… Das versuche ich auch meinen Kindern zu vermitteln. Wir sind nicht Deutsch, Türkisch, Mensch mit Migrationshintergrund oder Mensch mit Zuwanderungsgeschichte oder sonst noch etwas. Wir alle sind Menschen mit unterschiedlichen Gewohnheiten, Ritualen, Glaubensrichtungen, Lebensweisen, Kulturen etc. Das, was unseren Kindern vermittelt werden sollte, ist die Toleranz, der Mut, die Neugier sowie die Offenheit, andere Kulturen kennenzulernen.
Nur so funktioniert ein Zusammenleben, in dem keine Zeit für die Suche nach irgendwelchen Begrifflichkeiten verschwendet wird, sondern die Vielfalt, mit der wir im Berliner Alltag z.B. konfrontiert werden, von ihrer schönen Seite betrachtet werden kann. Menschen, die auf dem Land leben, oder in Gegenden, wo das kulturelle Leben sehr homogen ist, wünschen sich, in andere Länder zu reisen, um fremde Kulturen kennenzulernen. Wir dürfen froh sein, dass wir die Möglichkeit haben, zwischen mehreren, unterschiedlichen Kulturen leben zu dürfen.
Ich selbst wurde ziemlich Türkisch erzogen, da ich auch meine Grundschulzeit in der Türkei verbracht habe. Ich liebe die Türkei, meine Kinder auch, wir fahren regelmäßig in unsere Heimat, fühlen uns dort wohl… Ich fühle mich partiell der türkischen Kultur zugehörig, aber nicht mehr der Türkei. Mit der Zeit habe ich einen Sinneswandel durchlebt, denn bis vor ein paar Jahren wäre ich stolz auf mein Türkischsein, heute kann und will ich es nicht mehr sagen. Ich könnte genauso gut in einer indischen oder chinesischen Familie auf die Welt kommen und dann müsste ich ja stolz darauf sein, eine Inderin oder eine Chinesin zu sein. Was ich damit sagen möchte ist, dass die Wahrnehmung und Denkweise eines Menschen sich verändert und einem Wandel unterliegt. Natürlich gibt es auch Personen, die ihr Leben lang nach bestimmten Prinzipien, politischen und kulturellen Vorgaben leben. Ich gehöre jedenfalls nicht dazu, das weiß ich jetzt. Das ist auch gut so, es wäre schlimm, wenn alle Menschen gleich wären. Mit der Zeit habe ich gelernt und lerne immer noch, Grenzen zu überschreiten, Ängste zu eliminieren und jeden Menschen unabhängig von allen Merkmalen so zu akzeptieren, wie er/sie ist. Einige Unterscheidungsmerkmale gibt es natürlich, die ich für mich selbst definiert habe, wenn es um Freundschaften oder andere menschliche Beziehungen geht.
Eltern als Vorbilder
Warum ich so viel über meine Einstellung zum Thema „kulturelle Identität“ schreibe? Ich merke immer wieder, dass ich, als Erziehungsberechtigte oder ganz einfach als Mutter 24 Stunden am Tag eine Vorbildfunktion für meine Kinder einnehme. Auch wenn wir nicht immer daran denken, leben wir unseren Kindern in allen Lebenslagen bestimmte Verhaltensmuster vor, die sie unbewusst wahrnehmen und sich aneignen. Deshalb solltet ihr euch zuerst ein Bild über meine Einstellung zum Thema machen.
Wie in meinen anderen Blogbeiträgen, gibt es auch zu diesem Thema ganz viele Anekdoten aus dem Alltag mit meinen Kindern. Vor allem mein kleiner Sohn Mert beschäftigt sich gerade unheimlich gerne mit seiner eigenen kulturellen bzw. religiösen Identität und sogar auch von meinen Freunden und Bekannten. Somit passiert es z.B., dass er einfach in einer großen Picknickrunde Freunde von mir fragt, ob sie Moslem oder Christ sind. Auf die Frage, was er sei, antwortet er mit „Ich bin Türke!“ Man sieht, dass ihn das Thema beschäftigt, aber so ganz fassen kann er es noch nicht. Da er auch sehr neugierig und gesprächig ist, fragt er mich täglich nach der religiösen und politischen Einstellung bzw. der kulturellen Gewohnheiten von Freunden, Verwandten und Bekannten, dessen Verhalten und Aussagen er genau beobachtet.
Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass der Einfluss der Erziehungsberechtigten zwar groß ist, aber dass das Umfeld, in dem das Kind lebt, die Großeltern, Verwandte, Bekannte, Freunde und auch die Medien v.a. bei erhöhtem und unkontrolliertem Medienkonsum, die kulturelle Identität unserer Kinder mit beeinflussen.