In meinem letzten Beitrag habe ich mich mit dem Thema „Die deutsche Namenslandschaft“ auseinandergesetzt und festgestellt, dass Namen aus dem muslimischen sowie türkischen Kulturkreis in Deutschland zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Warum wir uns aber, trotz türkisch-kulturellem Hintergrund auf der einen Seite, bewusst gegen einen türkischen Vornamen für unsere Kinder entschieden haben, möchte ich euch heute erzählen.
Eine Frage, die sich alle interkulturellen Paare stellen – Wie sollen unsere Kinder heißen?
Sobald sich der erste Nachwuchs ankündigt, wird jede Beziehung (erneut) auf eine gewisse Probe gestellt, gerade bei interkulturellen Paaren. Denn spätestens jetzt, müssen sich beide Partner mit ihrer Herkunft, Kultur und den familiären Traditionen auseinandersetzten und sich bewusst machen, was und in welcher Form sie davon an ihre Kinder weitergeben möchten. In diesem Zusammenhang ist auch die Auswahl des Kindsnamen eine der bedeutenden Fragen. Schließlich ist der Name oft das erste, was man von einem Menschen erfährt und weckt in uns bestimmte Assoziationen, ob bewusst oder unbewusst.
Einige Fragen, die es daher zu beantworten gilt, lauten:
- Möchte ich meine kulturelle Herkunft auch im Namen meines Kindes widerspiegeln?
- Welchen kulturellen und/oder familiären Traditionen möchte ich gerecht werden?
- Inwieweit sollen/dürfen Eltern, Geschwister, Großeltern und andere nahe stehende Personen Einfluss auf die Namenswahl haben?
- Berücksichtige ich das sozio-kulturelle Umfeld in dem wir leben bzw. leben werden?
- Hat der Name Einfluss auf die soziale Entwicklung und Zukunft meines Kindes? Inwiefern möchte und kann ich das beeinflussen oder gar rechtfertigen?
- Ist der Name „alltagstauglich“? (allgemein aussprechbar, verständlich)
Der Vorname als individuelle Identifikation
Mir als „Biodeutsche“ war es sehr wichtig, dass meine Kinder in der ersten Wahrnehmung ebenso als „Deutsche“ und nicht zuallererst als Kinder mit türkischen Wurzeln wahrgenommen werden. Versteht mich bitte nicht falsch, ich persönlich habe an sich kein Problem mit türkischen Namen. Aber ich bin auf meine Herkunft und westeuropäische Kultur ebenso stolz und möchte einfach, dass sich diese auch in den Namen meiner Kinder wiederspiegelt. Schließlich haben wir bereits einen türkischen Nachnamen. Noch dazu ein türkischer Vorname, würde also in unserem Fall einfach ein falsches Bild zeichnen, wer wir als Familie sind und das wollte ich, wollten wir nicht.
Die Familie meines Mannes sah dies natürlich etwas anders und hätte sich durchaus einen türkischen Vornamen für unsere Kinder gewünscht. Was bei unserer Tochter noch kein allzu großes Thema war, weil der von uns ausgewählte Name auch in türkischen Kreisen vorkommt, wurde bei der Namenswahl für unseren Sohn eine teils hitzige Debatte. Mit dem Namen Paul kann man in einer türkischen Familie halt nicht besonders viel anfangen. Was mich aber ärgerte war die Tatsache, dass einige Familienmitglieder wirklich glaubten, ein reales Mitspracherecht zu haben und Namenslisten für uns erstellten und diskutierten. Es gab mehrere Telefonate und Gespräche allein zu diesem Thema. Was dabei aber teils völlig ignoriert wurde, war die Tatsache, dass es auf der anderen Seite auch einen biodeutschen Familienteil gab, nämlich mich und meine Familie. Gehörte das denn etwa nicht berücksichtigt? Ich frage mich, warum ist es oft so selbstverständlich, dass bei deutsch-türkischen Paaren, die türkische Kultur in solchen und ähnlichen Fragen höher wiegt? Vielleicht hat jemand eine Antwort für mich?! 🙂
Als Paul dann geboren war, kam es bei ersten Besuchen sogar vor, dass er nicht als Paul, sondern „spaßeshalber“ mit einem türkischen Pendant vorgestellt wurde. Ich habe mich zwar zurückgehalten, aber innerlich bin ich fast geplatzt! Ich benenne schließlich auch niemanden um, weil mir sein türkischer Name nicht gefällt oder ich ihn schlecht aussprechen kann…
Die Gemüter haben sich aber zum Glück dann doch sehr schnell wieder beruhigt und heute ist Paul so selbstverständlich wie es Murat gewesen wäre. Neue Denkanstöße muss man eben nicht nur bei den Biodeutschen setzen. Auch türkische Gewohnheiten dürfen hin und wieder hinterfragt oder gar gebrochen werden.
Ich möchte weitere Kinder. Vielleicht nenn ich die dann Karl oder Wotan? Karl Aslan, das nenn ich mal deutsch-türkische Völkerverständigung. 😉
Türkische Namen im deutschen Alltag – Ein weiterer Knackpunkt ist die Aussprache
In einer Stadt wie Berlin gehören türkische Namen und Vornamen ganz selbstverständlich zum gesellschaftlichen Alltag. Namen wie Gökhan, Özcan, Hilal oder Gülhan „schocken“ hier (fast) niemanden mehr.
Durchaus anders aber mag das in einem bayrischen Dorf oder einer Kleinstadt in Ostdeutschland sein, wo die meisten Menschen bislang eher wenig Kontakt mit der türkischen Kultur- und damit auch der türkischen Namenswelt hatten. Türkische Namen sind ihnen fremd und stellen sie zum Teil vor eine wahre Herausforderung – des Verstehens, Merkens und vor allem der Aussprache. Man stelle sich die deutsche Oma im Alter von 80 Jahren vor, keiner Fremdsprache mächtig, die versucht den Namen Özcan oder Hayriye auszusprechen. Und dabei gibt es noch weitaus schwierigere Vornamen… Dass bestimmte Buchstaben im türkischen einen anderen Laut haben, wissen sie ja nicht, woher denn auch? Und selbst wenn, macht ihnen ihre Zunge oft einen Strich durch die Rechnung.
Dies führt, zumindest anfänglich, durchaus zu einem gewissen Unbehagen und einem Gefühl der Unsicherheit. Man möchte ja schließlich auch nichts falsch machen und niemanden verärgern, wenn man den Namen selbst nach Monaten noch nicht optimal aussprechen kann. So fühlt sich z.B. meine Mama selbst nach Jahren noch in gewisser Weise unwohl beim Aussprechen des Namens meines Schwiegervaters und meiner Schwägerin, weil sie Probleme mit der richtigen Betonung hat.
Übrigens gibt es natürlich andersrum ebenso deutsche Namen, die für Unbehagen und Zungenverdreher bei der Aussprache sorgen. Ich bin mir sicher, jedem von euch fällt bestimmt mind. ein Name ein, der für nicht Muttersprachler nur schwer auszusprechen ist.
Fazit:
Für uns, und besonders für mich, war es also auch sehr wichtig, dass das deutsche Umfeld, allen voran meine Familie, meine Großeltern, die Namen problemlos aussprechen und verstehen kann. Noch dazu leben wir in Deutschland, auch der Großteil meiner Schwiegerfamilie und das schon seit Jahrzehnten. Die Entscheidung gegen einen türkischen Vornamen erschien uns daher nur als logische Konsequenz.
Oder anders ausgedrückt: Wir möchten die türkischen Wurzeln bewahren, blicken aber gemeinsam in eine deutsche Zukunft.
Wie seid ihr mit dieser Frage umgegangen? War die Namenswahl ein heikles Unterfangen? Und wie habt ihr euch entschieden? Ich bin gespannt! 🙂
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